Reisebericht: Akadien

Halifax: Meine Ankunft in Kanada

Anflug auf Kanada
Anflug auf Kanada

Es ist Mitte Juli 2019 und ich sitze im Flieger von Frankfurt am Main nach Halifax in der kanadischen Provinz Nova Scotia. Denn dort beginnt mein Trip durch Kanada und Akadien. Eigentlich fliege ich nicht besonders gerne, aber als wir gegen 22 Uhr Ortszeit das erste Mal über Ostkanada fliegen, will ich trotzdem einen Blick aus dem kleinen Flugzeugfenster werfen. Hinter der Wolkendecke erstrecken sich zahllose kleinere und größere Seen, in denen sich die letzten Sonnenstrahlen des Tages widerspiegeln. Einen perfekteren Zeitpunkt hätte man wohl nicht wählen können.

Halifax liegt auf der südöstlich gelegenen Halbinsel und Provinz Nova Scotia und ist die größte Stadt östlich von Québec. Der Flughafen liegt etwa eine halbe Stunde außerhalb von Halifax, doch im Landeanflug kann ich die Stadt trotzdem gut erkennen. Inzwischen ist es dunkel geworden und die vielen Lichter direkt am Meer zeichnen ein tolles Bild. Als erstes steht dann die offizielle Einreise ins Land an. Alles unkompliziert und schnell erledigt.

Dann fallen allerdings die Transportbänder bei der Kofferrückgabe aus und der Trip beginnt mit Warten. Zum Glück verzögert sich die Abfahrt nur um 45 Minuten und so kann es schnell weiter gehen. Weil es schon spät ist, verbringe ich die erste Nacht in einem Hotel in Flughafennähe - dem Quality Inn Halifax Airport. Schon die ersten kurzen Gespräche am Flughafen und die Fahrt mit dem Shuttle geben einen kleinen Vorgeschmack auf die Gastfreundlichkeit und Nettigkeit, welche die Kanadier so gerne an den Tag legen.

Am nächsten Morgen geht es dann mit dem Auto weiter zu meiner Gastfamilie ins circa drei Stunden entfernte Bouctouche, eine kleine Stadt in der Provinz New Brunswick. Hier habe ich die meiste Zeit meiner Kanada-Reise verbracht. Während der Fahrt über den Highway mache ich meine erste Erkenntnis: Ich habe noch nie so viele Bäume in meinem Leben gesehen – drei Stunden lang ohne Pause. Und das wäre sicherlich noch lange so weitergegangen. Mit Wäldern in Deutschland ist das nicht zu vergleichen. Beim Zwischenstopp zum Mittagessen gibt es die erste Spezialität: Pulled Pork mit Coleslaw!

Willkommen im niedlichen Bouctouche

In Bouctouche wollte ich dann erstmal ankommen und den Ort erkundigen. Was ich sehr interessant finde: Obwohl Bouctouche nur etwas mehr als 2.000 Einwohner hat, braucht man mit dem Rad fast 50 Minuten von der einen Seite der Stadt zur anderen. Da wird einem erstmal klar, wie riesig dieses Land überhaupt ist. Weil meine Gastfamilie einen riesigen Garten hat, welcher direkt ans Meer grenzt, habe ich vor dem Haus gezeltet. Vom Haus bis zu meinem Zelt braucht man knapp fünf Minuten zu Fuß. Wenn man mal auf Toilette möchte, gibt es vorher also einen kleinen Spaziergang.

Garten in Bouctouche
Garten in Bouctouche

Bouctouche liegt in der Region Akadien. Zu meinem Glück sprechen die Leute dort nicht nur französisch, sondern „Chiac“, eine stark von der englischen Sprache beeinflusste Variante des akadischen Französisch. Das liegt daran, dass Akadien geschichtlich stark von den beiden rivalisierenden Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich geprägt wurde. Ich würde „Chiac“ für Laien einfach als eine Mischung aus Französisch und Englisch beschreiben. Trotz meiner fehlenden Französisch-Kenntnisse kann man sich also gut mit den Leuten verständigen und die von mir erwartete Sprachbarriere blieb glücklicherweise aus.

Eine der prominentesten Sehenswürdigkeiten von Bouctouche ist die Pays de la Sagouine. Das ist eine Theaterstadt auf einer kleinen Insel mitten in der Bouctouche Bay, der Bucht, in der die Kleinstadt liegt. Sie ist ziemlich einzigartig, da sie eigentlich für literarische Werke und Aufführungen der in Bouctouche geborenen Schriftstellerin Antonine Maillet errichtet wurde. Heute werden an der Pays de la Sagouine nicht nur Theaterstücke über die Geschichte Akadiens aufgeführt, sondern dort finden auch verschiedene Events und Veranstaltungen statt. Jedes Jahr wird hier der Acadian Day gefeiert, den ich am Ende meines Trips auch noch miterlebt habe. Dazu dann aber an anderer Stelle mehr…

Familiäre Kleinstadt und Kulinarisches

Insgesamt ist Bouctouche ein echt niedlicher, kleiner Ort. Die kanadische Gastfreundlichkeit sticht hier wirklich hervor, die Akadier - so nennt man die Leute in Akadien - sind sehr herzenswarm und man spürt jeden Tag aufs Neue die Gemeinschaft untereinander. Das Leben hier ist auf jeden Fall ruhiger, als ich es bisher irgendwo kennengelernt habe. Die Leute leben einfach ihr Leben - auf eine total entspannte Art - und stecken einen mit ihrer dauerhaft guten Laune regelrecht an.

Begeistert bin ich auch vom Essen. Alles wird selber gemacht. Was man selbst nicht anbaut, kriegt man vom Nachbarn und andersrum. Und das läuft hier nicht nur bei Gemüse oder Obst so, sondern auch bei Fleisch und Fisch. Letzteres ist aufgrund der Küstennähe in vielen Teilen Akadiens natürlich eine Spezialität. Alles wird frisch serviert, Tiefküflware findet man hier kaum bis gar nicht. Das spiegelt sich dann natürlich auch im Geschmack wieder. Wirklich toll! Hängen geblieben bin ich bei Meat Lowe, einer Art Frikadellen-Auflauf mit einer dicken Ketchup-Schicht. Klingt erstmal komisch, ist aber sehr lecker. Natürlich dürfen aber auch original-kanadische Pancakes mit Ahornsirup und Blaubeeren nicht fehlen, die es immer wieder zum Frühstück gibt.

Pancakes mit Blaubeeren
Pancakes mit Blaubeeren

Die nächsten Tage verbringe ich ausschließlich in Bouctouche selbst. Angefangen beim Erdbeeren sammeln auf einer der kleinen Strawberry Farms bis hin zu einem langen Besuch im „Irving Arboretum“, einem Botanischen Garten direkt am Hafen. Dort steht eine kleine Gedächtniskirche – die Irving Memorial Chapel. Am Namen Irving kommt man hier wirklich nicht vorbei. K.C. Irving war ein in Bouctouche geborener Geschäftsmann, der nach seinem finanziellen Erfolg viel für seine Heimatstadt gemacht hat. Bis zu seinem Tod 1992 unterstützte er viele lokale, soziale Projekte, aber auch größere Bauprojekte in Bouctouche. Einige seiner Firmen sind weiterhin in Bouctouche ansässig und schützen viele Gebiete mit natürlichen Ressourcen in der Region. Sein Sohn James K. Irving hat es zum sechsfachen Milliardär geschafft und setzt sich ebenfalls stark für den Naturschutz in Bouctouche und Akadien ein.

Sonnenuntergang in Akadien
Sonnenuntergang in Akadien

Direkt an den ersten Abenden in Bouctouche kann ich einige richtig schöne Sonnenuntergänge an den Dünen – hier „la Dune de Bouctouche“ genannt - genießen. Das Land ist einfach unglaublich weit und solche Sommerabende versprühen direkt eine ganze andere Stimmung. Doch bevor ich Akadien weiter erkunde, steht jetzt erstmal eine Woche in Montreal an…